FAQs. Haben Sie Fragen?
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5 Fragen von Alexandra O, ihres Zeichens Bloggerin, auch genannt das A & O vom Blog Satzsitz (www.satzsitz.de) an Elisabeth Weller
Was ist deine »Philosophie« beim Interpretieren von Literatur? Und wie bringst du die in deinen Kursen unter?
»Lesen sie gründlich, liebkosen sie die Details« von Vladimir Nabokov ist mein Leitspruch. Das lohnt sich naturgemäß nur bei wertvollen Texten, die ich aus dem Dschungel der Novitäten und dem Labyrinth der Klassiker aufspüre mit Feinschmeckereifer. Gründlich meint das genaue Gegenteil von Zerstreuung suchendem, Finale-versessenem Lesen. Da hilft das am schönen Wort und Klang klebende Lesen, das quasi ein Nahsinn-Qualifizierungprogramm ist. An welches Semester erinnerst du dich besonders gerne und warum? Ich erinnere mich gerne an das zehnte Semester, an dessen Ende ich ein Salonfest veranstaltete auf dem die Teilnehmenden der Salons, zu der Zeit waren es 99 an der Zahl, als literarische Figuren gekleidet erschienen, die ihnen in den vorangegangen Semestern ans Herz gewachsen waren. Einer kam als Pfarrer mit dem schwarzen Schleier (Nathaniel Hawthorne), eine als Dame mit Hündchen (Anton Chechov). Holly Golightly aus Frühstück bei Tiffany (Truman Capote), eine Salon-Litfasssäule und das Bildnis einer Dame (Henry James) und sogar gleich zwei Doppelgängerinnen von mir waren erschienen. Unter welche Gesichtspunkten liest du mögliche Leselisten für deine Kurse aus? Nicht das was geht, sondern bleibt, interessiert mich. Also: Handelt es sich um ein Sprachkunstwerk? Die Sprache ist der Wertstoff, der den Text faltenfrei, taufrisch erhält, Relevanz garantiert bis zum Sanktnimmerleinstag. Wie viele Bücher besitzt du selbst und wie sortierst du sie in deinem Bücherregal? Mit meinem kleinen Buchregal habe ich schon viele enttäuscht. Ich sortiere platzsparend - aus! Nur was ich wiederlesen will, das bleibt. Für was gibt es das naheliegende Mekka Landesbibliothek? Ich will ein Buch lesen, nicht besitzen können. Vielleicht 1000 Bücher nach dem jeweiligen Sprachraum der/des Dichtenden chronologisch sortiert besitze ich mit meinem Lebensgefährten zusammen. Waswannwo waren die Anfänge deiner Salons? Rahel Varnhagens und Gertrude Steins Salons waren lange schon in meinem Kopf beheimatet, als ich 2006, nach bereits 16 Jahren Erfahrung als Literaturvermittlerin in der Erwachsenenbildung, wagte im Literaturhaus ins Stuttgart mit zwei Literarischen Salons zu starten, die dann, nach dem »Funkenflug«-Artikel (> Schall und Druck) zwei Semester später auf sechs Salons befeuert wurden. Interview vom Januar 2015 7 Fragen von von Björn Springorum – Autor und Journalist (Lift)
Wie bereiten sie die Salons vor?
Ich lese regelmäßig Buchrezensionen in der ZEIT, Der Neuen Züricher, der Süddeutschen und der FAZ. Vor allen Dingen aber lese ich was Connaisseure wie Susan Sontag, W. G. Sebald, Michael Krüger, Silvia Bovenschen mit Genuss gelesen haben. Am wichtigsten sind mir die Bücher, die mich an andere Bücher verweisen. In diesem Echoraum der Literatur schnüffle ich erwartungsvoll den Spuren hinterher, lese sie, lese sie erneut, prüfe, ob sie nebst der Feuerprobe auch die Wasserprobe bestehen, die Verve zum Sprachkunstwerk haben. Was erwartet die Teilnehmer bei einem Literarischen Salon? Sie lernen eine erlesene Ausstellung an Titeln kennen, die von mir als kompetenter Kuratorin bestellt wurde. Diese setzen sich zusammen aus Klassikern und anspruchsvollen aktuellen Buchtiteln, die in diesem Semester von Einzelgängern handeln. Der köstliche Klassiker Dom Casmurro von Joaquim Machado de Assis trifft auf den Titel Der Garten über dem Meer von Merce Rodoreda. Eigens für Rodoreda hat Marquez Katalanisch gelernt, um sie im Original lesen zu können. Einen schönen Kontrast dazu bildet Christopher Isherwoods A Single Man, der gleichfalls viel zu wenig bekannte Urheber von Cabaret. Wie läuft ein solcher Salon in der Regel ab? Die erste von acht Sitzungen im Semester widmet sich meiner Büchervorstellung. Da werden von vier vorgestellten Büchern drei ausgewählt. So ist Karen Köhlers Einzelgänger-Erzählband Wir haben Raketen geangelt leider aufgrund der Stimmenanzahl rausgefallen. Danach folgen je zwei Sitzungen für diese drei Titel und die letzte Sitzung widmet sich der Lyrik. Das wird dieses Semester Jan Wagner sein. Kann man es lernen, schwere Werke zu lesen, sie sich zu erarbeiten? Selbstredend. Ich tue nichts anderes, es wird zu einer teuren Gewohnheit. Ohnehin schätze ich das Schwere, wie bei einem guten Rotwein. Das vermeintlich Schwere ist nachgerade ein gutes Zeichen. Ich fürchte mich eher davor, wenn ein Text sofort flutscht. Wie sagte Henry James so schön: »Ein Roman ist kein Pudding.« Lesen Sie mehr, seit Sie die Salons betreiben? Ich lese mehr als während meines Studiums der Allgemeinen und Vergleichen Literaturwissenschaften, weil ich damals dieses Studium finanzieren musste und jetzt wunderbarerweise von meinen Literaturstudien leben kann. Wie viele Salons gab es bereits, wie viele Leute sind im Durchschnitt dabei? In den vergangenen Jahren sind es immer sechs Salons gewesen mit jeweils ca. 15 TeilnehmerInnen Was ist ihr Fazit nach 10 Jahren? Ich halte es mit dem Kämpen Peymann, der sagt: »Mein Theater, so altmodisch das klingt, stand immer im Dienst der Literatur, der Botschaft.« Auch ich werde diesem Dienst die Treue halten. Ich kann mir keine edlere Aufgabe denken. Interview vom Mai 2015 Liebe Elisabeth, was genau darf man sich denn unter einem literarischen Salon vorstellen?
Acht mal im Semester treffen sich Literaturinteressierte gegen eine Teilnahmegebühr im Konferenzzimmer im Literaturhaus um über anspruchsvolle Texte, die sie gelesen haben, zu reden. Ich stelle in der ersten Sitzung vier Prosatexte, aktuelle und klassische vor. Drei werden ausgewählt. In der letzten Sitzung geht es um Lyrik. Wie bist du selbst zur Literatur gekommen? Ich hatte zu meinem Glück einen unkonventionellen Deutschlehrer der uns Siebtklässlern kurioserweise Kriegslieder und mittelhochdeutsche Lyrik auswendig hat lernen lassen. Das klingt erst mal ganz schlimm. Aber es ist die Wahrheit: Es hat allen Spaß gemacht. Er war ein Literaturverführer. Wenn man das am eigenen Leib erfahren hat, dass einen etwas scheinbar völlig Fremdes zu packen vermag, ist das eine wunderbare Lehre für immer. Der Schlüssel ist das Ein-Lassen. Dieses ewige »gefällt mir, gefällt mir nicht« geht so schnell und hat lediglich etwas mit der unvermeidlichen eigenen Urteilsunfähigkeit zu tun, denn: Woher willst du das wissen, dass dich das nicht interessiert? Du hast es ja noch nicht ausprobiert. Was fasziniert dich besonders daran, Romane lesend Schicht um Schicht zu enthüllen? Und wie erleben es die Besucher des Salons? Für mich müssen Texte, um sie als Literatur bezeichnen zu können, nicht nur die Feuerprobe, sondern auch die Wasserprobe bestehen. Vermögen sie mich zu entzünden? Schön. Aber haben sie auch Tiefe? Gerade schrieb eine Teilnehmerin mir einmal wieder: »Danke! Hätte nicht gedacht, dass das so viel Spaß machen kann.« Sie meinte die Gedichte von Jan Wagner, die wir in der letzten Salonsitzung besprochen haben, für die er erstaunlicherweise als Lyriker den aktuellen Preis der Leipziger Buchmesse erhalten hat. Selbst Lyrikhasser und -skeptiker hatten ihren Spaß daran, wie Wagner formstrenge Sonette mit seinem Wildwuchs überwuchert und überwältigt. Eine andere Teilnehmerin schrieb mir unlängst: »Ich bin so froh, dass ich Ihren Literatursalon ausfindig machen konnte: er gibt mir sooo viel, Sie geben so viel, es ist immer wieder inspirierend und hoch motivierend! Ihre Kenntnisse und die Art Ihrer Vermittlung sind einfach umwerfend! Ich könnte da ins Schwärmen geraten. Lange nicht mehr habe ich so viel, mehrfach und so genau gelesen. Viele Ihrer Titel hätte ich alleine nie entdeckt und mir schon gar nicht so detailliert vorgenommen. Viele Namen wie z.B. W.G. Sebald, auch Alice Munro habe ich davor - leider- nie gehört. Sie gehören inzwischen auch zu meinen liebsten Autoren. Inzwischen bin ich dabei, Ihre Bücherliste der vergangenen Jahre abzuarbeiten! Damit habe ich noch eine Weile zu tun. Auf Ihrer neuen Homepage habe ich einen Reichtum an Ideen und Impulsen entdeckt!« Warum sind gerade Klassiker so wichtig und so bereichernd - auch (oder gerade?) in der heutigen Zeit? Sie bilden die Basisstation von der aus man Neues erkunden kann. Sie geben Orientierung im Dschungel der vielen Novitäten. Sie schulen das Urteilsvermögen. Hast Du einen Sommerlesetipp für uns (und vielleicht einen Hinweis, worauf man bei diesem Buch besonders achten kann)? »Der Garten über dem Meer« von Merce Rodoreda. Eigens für Rodoreda hat Marquez Katalanisch gelernt, um sie im Original lesen zu können. Wie bei einem impressionistischen Gemälde tauchen wir in eine atmosphärische Farbwelt ein, die, wenn wir nah kommen, verschwimmt, wenn wir Distanz gewinnen, an Kontur gewinnt. Interview vom August 2015 ¶ |
Bilder vom »5-Jährigen«
30.10.2010 Fotos: Ernst Keter
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Elisabeth Weller, Literarische Salons. | Web: www.elisabethweller.de | E-Mail: elisabeth.weller(at)web.de | Telefon: 0711.634955 |
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